Venefica - The Process - Katharina Blum

19.10.2023

Katharina Blum ist mit »Venefica - The Process« eine rasante Geschichte über die mittelalterlichen Hexenverbrennungen gelungen, die den Leser in eine mystische Welt voller Legenden, Gewalt, kirchlicher Absolution und schicksalhafter Liebe entführt.

Inhalt:
,,Ich will nicht sterben, ohne für meine Freiheit gekämpft zu haben."
Hexen gehören verbrannt. Da die mittelalterliche Bevölkerung Saorlaith für eine Verbündete des Teufels hält, wird die junge Frau in Ketten nach Verona gebracht, wo seine Eminenz Ferdinando de Medici ihren Prozess entscheiden soll. Auf dieser bedeutsamen Reise begleiten sie unter anderem der hilfsbereite Ordensträger Ares und der unsympathische Ritter Sir Lyring. Während Saorlaith um ihre Freiheit und ihr Leben kämpft, entwickelt sie im Laufe der Zeit immer stärkere Gefühle für Ares. Doch gleichzeitig stellt sich die Frage: Wer oder was ist sie eigentlich und was hat das mit dem Schicksal der gesamten Menschheit zu tun?

Lob:
Eine altertümliche Atmosphäre, unerwartete Wendungen und eine Menge Religions- und Gesellschaftskritik: Das ist »Venefica - The Process«. Aus wechselnden Perspektiven wird die im Mittelalter spielende Geschichte aus der Feder von Katharina Blum erzählt.

Saorlaith, die Protagoinstin des Buches, ist eine absolute Sympathiträgerin. Beispielsweise nutzt sie Magie, um einen kleinen Jungen zu retten, möchte niemandem schaden und soll wegen falschen Anschuldigungen zum Tode verurteilt werden. In Wirklichkeit sind ihre magischen Fähigkeiten begrenzt: So kann sie lediglich das Feuer beherrschen, Männer stimulieren, ihre Haut und Augen zum Leuchten bringen und Menschen durch reine Berührungen Lebenskraft entziehen. Als Leser fühlt man von Anfang an mit Saorlaith mit und würde ihr am liebsten zur Freiheit helfen. Ihr trockener Humor und ihre revolutionären Ansichten in Bezug auf die mittelalterliche Wert führen darüber hinaus dazu, dass man sich gut mit ihr identifizieren kann.

Frei nach dem Motto: ,,Eine bessere Welt bekommt man nicht dadurch, dass man tut, was die anderen auch tun." und ,,Gott schützt nicht, er tötet." steht sie der Absolution der Kirche, dem generellen naiven Lebenswandel und dem Blutdurst der mittelalterlichen Gesellschaft kritisch entgegen. Auch, dass "Andersartige" ausgestoßen und der Großteil der Männer nur an Körperlichem interessiert ist, wird von ihr infrage gestellt.

Saorlaiths Streben nach Freiheit führt zwischen mysteriösen Drohungen und Prophezeiungen mehrmals zu ihrer Flucht und einmal sogar zu dem Umstand, dass das Leben ihrer Peiniger in ihren Händen liegt. Doch ist sie bereit, ihre Prinzipien ihrer Freiheit willen zu verraten? Und was hat es mit diesen seltsamen Vorsehungen auf sich, die sie als Auserwählte darstellen und sogar den Weltuntergang ankündigen? All diese Fragen werden im Laufe des Buches geklärt.

In »Venefica - The Process« gibt es außerdem eine Liebesgeschichte nach dem "Enemies to Lovers"-Prinzip: Der Ordenträger Ares ist einer der Männer, die Saorlaith zu ihrer vermeintlichen Hinrichtung nach Verona bringen soll. Doch anders wie die Übrigen scheint Ares nicht an die böse Natur des Mädchens zu glauben. Die Gespräche zwischen den beiden sind wirklich sehr süß und als Leser möchte man unbedingt, dass sie zusammenkommen, was angesichts der Umstände aber natürlich nicht so einfach ist.

Die Charaktere werden mühelos eingeführt und charakterisiert, ohne dass es beim Lesen direkt ins Auge springt. Katharina Blum hat ein Händchen für das Verfassen von knappen, aber aussagekräftigen Dialogen, die einen regelrechten Paukenschlag nach sich ziehen. Super geschrieben fand ich vor allem Saorliths Vorsehungen und die Erzählung von Venefica! Hier wurde der Schreibstil richtig bildgewaltig und man konnte sich alles gut vorstellen. Außerdem war die Spannung auf einem sehr hohen Niveau und gerade in diesen Sequenzen waren unerwartete Wendungen vorhanden, die einen als Leser verblüfft zurückließen. Meine Lieblingsszene ist übrigens Ares' kleiner Ausflug in die Klosterbibliothek, um die verbotenen Schriften zu lesen. Mehr verrate ich hierzu aus Spoilergründen aber nicht.

Die Frage nach der Lieblingsfigur finde ich in diesem Fall sehr schwierig zu beantworten. Vor allem haben mir die Sidekicks imponiert, da sie der Geschichte mehr Leben und Humor eingehaucht haben, wie beispielsweise Pater Josephus oder der Gefangene Jacopo.

»Venefica - The Process« endet mit einem atemberaubenden Cliffhanger, der den Leser unglaublich neugierig auf die beiden Folgebände macht! Besonders gut hat es mir gefallen, dass zwischen Anfang und Ende ein spannungsaufbauender Bogen herrscht, ohne dass im Prolog schon zu viel vorweggenommen wird.

Mein Lieblingszitat aus dem Buch ist übrigens Folgendes: ,,Erst wirkte der Mann unsicher, dann lächelte er mich jedoch an. Ich tat es ihm gleich, begann aber, in seinem Inneren nach der Energie seines Lebens zu suchen. Man konnte es sich so vorstellen, als würde ein Spürhund einen Leichnahm beschnüffeln, nur dass ich das auf mentaler Ebene tat. Als ich die Flamme des Lebens in dem Mann entdeckte, begann ich sie behutsam zu betasten. Um seine Gefühle, sein Leben, seine Seele zu fassen, stellte ich mir vor, wie ich eine Schlinge aus Fäden legte. Diese war so zaghaft, so sanft, dass sie jeden Moment zu reißen vermochte. Das Spiel mit dem Leben war eine feingliedrige Angelegenheit."

Zum Schluss möchte ich noch auf die optische Gestaltung des Buches eingehen, die wirklich allererste Sahne ist. Ein angenehmer Buchsatz und hübsche Illustrationen von @christiana.koenig zieren das Innenleben des Buches, während das atemberaubende Coverdesign aus der Feder von @jasminscoverdesign stammt. Auch das Lesezeichen und die tollen Charakterkarten gehen auf ihre Kappe. Das Cover von »Venefica - The Process« ist eines meiner all-time-favourites; und so erhält das Buch definitiv einen ganz besonderen Platz in meinem Bücherregal.

Kritikpunkte:
Kommen wir nun zu den Kritikpunkten. Leider bin ich im Buch über einige Orthographie-Fehler im Buch gestolpert, die ich in ihrer Menge insgesamt als störend bezeichnen würde. Zudem habe ich ein bisschen gebraucht, um in die Geschichte reinzukommen und mich mit Katharina Blums Schreibstil anzufreunden, was wohl hauptsächlich daran lag, dass mir zum Teil die Umsetzung des Grundsatzes "Show don't tell" fehlte. Abgesehen davon hätte ich mir an einigen Stellen mehr Tiefe im Bereich der Gefühle und Gedankengänge der Figuren gewünscht. Besonders die Liebesbeziehung zwischen Ares und Saorlaith wirkte auf mich sehr inszeniert.

Fazit:
»Venefica - The Process« von Katharina Blum, erschienen im Silberkrone Verlag, ist eine mitreißende Geschichte über die Hexenverbrennungen des Mittelalters, die durch fantastische Elemente überzeugt. Ich vergebe 4/5☆ und bedanke mich herzlichst für das Rezensionsexemplar!

Jace Moran / dunkelwelten / Alle Rechte vorbehalten
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